Mit der Stra­ßen­pho­to­gra­phie ist das so eine Sache. Die einen lie­ben die­ses Gen­re, weil sie es für ein authen­ti­sches Ein­fan­gen des Lebens hal­ten. – Die ande­ren leh­nen alles ab, bei dem die abge­bil­de­ten Per­so­nen nicht zustim­men. Für bei­de Posi­tio­nen gibt es gute Grün­de. Bei­de Argu­men­ta­ti­ons­wei­sen bewe­gen sich auf ganz unter­schied­li­chen Ebe­nen. Ein­mal geht es ums Recht am eige­nen Bild und um die DSGVO, also um kom­ple­xe Rechts­ge­bil­de, die sich im Lau­fe der Zeit ent­wi­ckelt haben.

Die Street-Pho­to­gra­phy Befür­wor­ten­den argu­men­tie­ren nicht juris­tisch, son­dern ästhe­tisch und viel­leicht sozio­lo­gisch: Dass näm­lich ein gewich­ti­ger Teil unse­res Lebens sonst nie ins iko­ni­sche Gedächt­nis gelan­gen kön­ne. Wenn die Bil­der nach dem Sieg im zwei­ten Welt­krieg, die wir alle vor Augen haben, nicht statt­ge­fun­den hät­ten, dann fehl­te viel. Wenn Car­tier-Bres­son mit einem Sta­pel Ein­wil­li­gungs­for­mu­la­re her­um­ge­lau­fen wäre, gleich ob in Paris, New York oder bei der Bestat­tung Ghan­dis, dann gäbe es die­se Bil­der nicht. Oder man hät­te sie nach­stel­len müs­sen mit bezahl­ten Komparsen.

Auf die Fra­gen habe ich kei­ne (er-)lösende Ant­wort, lei­der. Ich kann nach­voll­zie­hen, dass die Über­wa­chung gera­de öffent­li­cher Räu­me vie­len sehr unsym­pa­thisch ist. Da gehö­re ich dazu. Ich fin­de die Ein­grif­fe in unse­re per­sön­li­che Frei­heit durch mehr und mehr Kame­ras auf Plät­zen und öffent­li­chen Orten nicht allein läs­tig, son­dern über­grif­fig. Für die emp­fun­de­ne Sicher­heit hel­fen mehr Schutz­leu­te eher, neben­bei: Die kön­nen auch hel­fen, wenn etwa ers­te Hil­fe geleis­tet wer­den muss oder eine Aus­kunft erwünscht ist. – Klar, Gehäl­ter sind teu­rer als Kameras.

Die Ein­grif­fe durch (höf­li­che) Pho­to­gra­phie­ren­de auf der Stra­ße emp­fin­de ich als weit eher trag­bar. Das gilt glei­cher­ma­ßen, wenn ich auf ein Bild gelan­ge wie auch dann, wenn ich ent­spre­chen­de Bil­der auf­neh­me. Gera­de schreibt mich You­tube als »Crea­tor« an, dass alle erkenn­bar abge­bil­de­ten Per­so­nen in den ver­öf­fent­lich­ten Video zuge­stimmt haben müs­sen. Tja, wenn man das gründ­lich aus­legt, dann wird es zukünf­tig sicher weni­ger Bil­der von Men­schen im öffent­li­chen Raum geben. – Viel­leicht bekom­men wir ja immer­hin mehr Kal­li­gra­phie, das wäre auch nicht schlecht! Ich den­ke an die teils stren­ge Aus­le­gung des Bild­nis­ver­bots im Islam, die ja eine wun­der­ba­re Kunst­form mit Kufi- und Naschi-Schrif­ten her­vor­ge­bracht hat.

Eini­ge befreun­de­te Pho­to­gra­phie­ren­de haben sich ent­schie­den, nicht auf Bil­der von Men­schen zu ver­zich­ten, und für den Fall des Fal­les haben sie Rück­la­gen gebil­det, soll­te Scha­den­er­satz, Schmer­zens­geld oder eine Geld­bu­ße jeman­dem zuge­spro­chen wer­den. – Ande­re haben eine Sche­re im Kopf, lie­fern nur Bil­der, von denen sie anneh­men, dass die, die drauf sind, die­se Bil­der ohne Ein­wand akzep­tier­ten. Ich habe vor allem ein Fra­ge­zei­chen, gera­de weil mir Daten­schutz so wich­tig ist. Ande­rer­seits aber weiß ich, wie viel die Kunst­ge­schich­te ver­lie­ren müss­te, woll­te man ganz auf die­ses Gen­re verzichten.

Mir scheint, dass die juris­ti­schen Fra­gen eine Sache sind. In Geset­zes­form kann man man­ches klei­den. Vor­ran­gig geht es aber um die Kul­tur in einer Gesell­schaft. Was möch­ten wir? Was leh­nen wir ab? Was fin­den wir hin­zu­neh­men? Was bewun­dern wir möglicherweisen?

Das Bild oben ist mit einer Zeiss Ikon ZM und einem Lei­ca Sum­mi­cron 2.0÷50 auf RPX-100 bzw. APX-100 in Ams­ter­dam auf­ge­nom­men. Ist schon ein paar Jah­re her (Früh­jahr 2010).