Immer mal wieder habe ich kurze Ausflüge in Städte unternommen, wenn die Zeit es zuließ. Klar, mit Corona geht das derzeit schlecht. Aber: Die Zeiten werden sich hoffentlich wieder ändern. Hamburg ist in Reichweite, um samstags früh mit dem Motorrad hinzufahren. Dann laufe ich photographierend einen dreiviertel Tag lang umher. Das ist meditativ und unglaublich entspannend. Meist sind 12 oder 20 Aufnahmen auf meinem Film, wenn ich zurückfahre. Selten bekomme ich einen Kleinbildfilm mit 36 Aufnahmen gefüllt.
Ich laufe umher und vor allem sehe ich die Umgebung. Selbst dann, wenn ich keine einzige Aufnahme hätte, wäre es eine gute Zeit, sofern das Wetter mitspielt. Aufmerksam zu schauen, darum geht es mir ja. Und die Geschichte erzählen sich eher nebenbei: Ich brauche kein Bild der Roten Flora, wenn gegenüber ein Café oder eine Kneipe ist, an der u.a. Motorräder geparkt sind. Und die Nachtschwärmer haben teils ihre Gläser auch auf den Packtaschen abgestellt. Das zeigt fast nichts, bloß ein Detail. Es wird aber schon deutlich, dass es sich hier nicht um den Jugendgästeempfang der Bundesregierung handelt, wo Personal alles umgehend wieder aufräumen würde. Alternativkultur zeigt sich auch in alternativen Glas-Parkplätzen.
Für schwarzweiß-Bilder, die funktionieren, sind andere optische Eigenschaften als für die Farbphotographie wichtig. Mikrokontrast etwa. Hier mit dem Nikon 85 mm f1.8 an der Nikon F6 Rollei RPX-100, entwickelt in D76 1+1. Damit so ein Bild für mich funktioniert, braucht es die Details der Steppnaht an der Packtasche. Die muss entsprechend scharf und kontrastreich abgesetzt werden gegenüber dem unscharfen Bereich dahinter, der hübsch cremig werden darf und soll. Die Qualität der Unschärfe (das »Bokeh«, ein klassicher Text dazu hier) entscheidet bei manchen Bildern.
Ich halte fest: Manche Geschichten erzählt man am besten, indem man sie nicht erzählt. Selektive Schärfe ist sicher nicht das Glaubensbekenntnis der Gruppe f64 gewesen, aber sie ist manchmal unerlässlich, um etwas gegenüber etwas anderem abzusetzen. – Die Fliege auf der Packtasche habe ich bei der Aufnahme nicht wahrgenommen, mich aber hinterher dran gefreut, dass sie da ist.