»Der Flaneur bezeichnet eine literarische Figur, die durch Straßen und Passagen der Großstädte mit ihrer anonymen Menschenmasse streift (flaniert). Hier bietet sich ihm Stoff zur Reflexion und Erzählung. Der Flaneur lässt sich durch die Menge treiben, schwimmt mit dem Strom, hält nicht inne, grüßt andere Flaneure obenhin. Der Flaneur ist intellektuell und gewinnt seine Reflexionen aus kleinen Beobachtungen.« (so hier bei Wikipedia)
Nun gilt sicher das, was für die Literatur gilt, auch für andere Formen »künstlerischer Verarbeitung«. In unserem Wahrnehmen und Wahrgenommen-Werden unterscheiden sich das Dorf und die Stadt eben dadurch, dass im Dorf jeder Fremde auffällt. In der Stadt muss man aufs Grüßen verzichten, sonst kämen wir nicht aus dem Grüßen heraus.
Diese Anonymität macht Städte zu einem Ort für Photographien, die anderswo nur dem Insider möglich wären und auch dann einen völlig anderen Charakter hätten: Situationen, Menschen, Details sieht man in der Stadt so viele, insbesondere dann, wenn man spazieren geht, also idealerweise flaniert.
Flaneure sind ohne Städte undenkbar. Andererseits ist dieser Bereich des Lebens für alle zugänglich. Die meisten gehen Alltagszwecken nach, dem Weg zur oder von der Arbeit in den Büros und in der Verwaltung, den Handwerken, den Dienstleistungen etwa in der Straßengastronomie von Café bis zur Espresso-Ape, und den anderen Flaneuren. Andere treffen sich mit anderen, gehen als Paar Hand-in-Hand. Jugendliche sitzen auf Plätzen und treffen sich mit ihresgleichen. All das beobachte ich, wenn ich durch Städte laufe. Ich freue mich dran und schaue zu. Ob mit oder ohne Kamera.
Ein Freund schrieb vor Jahren seine Dissertation über das Flanieren. Er muss es wissen. – Wir denken viel zu selten darüber nach, in welchen Zusammenhängen (gerade auch mit anderen Menschen) wir uns aus welchen Gründen bewegen. Warum etwa fahre ich so gerne in andere Städte? Ist es das Baudenkmal, das ich mir ansehen möchte? Doch wohl eher nicht!
Die Stadt als Wunschort…
Viele Städte haben eine eigene Atmosphäre, und das ist weniger meteorologisch gemeint als hinsichtlich der Stadtkultur. Wie zieht man sich an? (Sicher hängt das auch von den Temperaturen ab, klar). Spricht man eher leise, rücksichtsvoll? Oder laut und aggressiv? Stockholm und Rom sind diesbezüglich sehr unterschiedlich.
Sicher kann man über alle diese Phänomene in unterschiedlicher Hinsicht nachdenken, man kann wissenschaftlich darüber arbeiten. Dass aber gerade in der Literatur das Thema der Flaneure wichtig wurde, liegt an der Entwicklung unserer Großstädte. – Auch die, die photographieren, reagieren auf das, was sie vorfinden. Wenn ich mit einer Kamera in der Stadt unterwegs ist, bemühe ich mich um möglichst leichtes Gepäck, denn das erleichtert das Flanieren, das Herumstromern, und das Beobachten.
Meist habe ich nur ein Objektiv, leichtes Weitwinkel oder Normalbrennweite, auf der Kamera, einen Ersatzfilm im Rücksack und laufen viele Stunden lang durch die Stadt, in der ich bin. Hin-und-wieder trinke ich einen Kaffee, mache einige Notizen zu Gedanken, die mir gekommen sind. Ansonsten laufe ich und schaue. Selten entstehen Photos, acht oder 15 mögen es sein. Hier, beim Bild der Buchhandlung oben, in Amsterdam 2010. Aufgenommen auf Rollei RPX-100 und Zeiss Ikon ZM.